Das Leipziger Schulmuseum feiert sein 25jähriges Bestehen – Interview mit Prof.in Gisela Weiß, Vorsitzende des Wissenschaftlichen Beirats
Wozu braucht es ein Schulmuseum?
GW: Wenn es um Schule geht, geht es um Bildung generell – und damit auch um Einflussnahme auf Kinder und Jugendliche. Aufzuzeigen, wie dies in früheren Zeiten organisiert worden ist, welche pädagogischen oder auch ideologischen Ziele jeweils verfolgt wurden – das ist die Aufgabe von Schulmuseen. Sie sammeln verschiedenste Formen der materiellen Überlieferung: Zeugnisse zur Schulgeschichte, zu Schulgeschichten vor Ort oder auch für eine Region und ganze Bildungsbiografien. – Dabei geht es nicht nur um Vergangenes, sondern vor allem um die Reflektion der gegenwärtigen Haltung oder pädagogischen Position: Wie, wozu und wohin wollen wir Menschen bilden? Und wie sehen die Schulen oder vielmehr Bildungsprozesse der Zukunft aus?
Was zeichnet das Leipziger Schulmuseum aus? Was unterscheidet es von anderen Museen?
GW: Das Schulmuseum gehört zu den größten und thematisch vielfältigsten Museen seiner Art in Deutschland. Es bewahrt mit 97.000 Objekten und Bibliotheksbeständen die größte bildungsgeschichtliche Spezialsammlung Ostdeutschlands. Zudem ist sein Standort etwas ganz Besonderes: Die ehemalige Stasi-Zentrale Leipzig – also ein Ort der Repression und Ausgrenzung – stellt eine besondere Herausforderung dar, ist zugleich aber auch Chance für kritische Erinnerungskultur: Die Rolle von Bildung unter diktatorischen Bedingungen einerseits und demokratischen Auf- wie Umbrüchen andererseits liegt thematisch mehr als nahe. Der Titel „Werkstatt für Schulgeschichte“ verweist zugleich auf den Laborcharakter und die Neudefinition dieses Ortes als offener, lebendiger Bildungsort – als Demokratie-Labor, das interaktive Formate anbietet, Debattenkultur und partizipative Projekte erlebbar machen will.

Sie sind Vorsitzende des wissenschaftlichen Beirats: Was sind die Aufgaben des Gremiums? Was hat sich in den 25 Jahren des Bestehens verändert?
GW: Seit 2006, gleich bei Antritt meiner Professur für Museumspädagogik / Bildung und Vermittlung im Museum an der HTWK Leipzig bin ich Mitglied, seit 2019 Vorsitzende des Wissenschaftlichen Beirats – in Nachfolge von Prof. Dr. Dieter Schulz, der mit meinem Vorgänger Arnold Vogt zusammen das Entstehen des Schulmuseums maßgeblich geprägt hat. Der Beirat agiert nicht nur beratend, er ist als zentrales Steuerungsgremium für das Schulmuseum installiert – mit Vertreter*innen der Stadt, der Universität Leipzig und der HTWK Leipzig.
Diese Konstellation – sowohl Stadt und Hochschulen als auch Lernort und Labor für Schulgeschichte und Demokratie – ist einmalig in Deutschland. Sie gilt es im Sinne eines zukunftsfähigen Modells von Citizen Science auszubauen. Diesbezüglich nehmen die Hochschulen ihre Verantwortung für das Schulmuseum verstärkt wahr. Im Sinne von Forschung und Wissen(schaft)stransfer möchten wir als Hochschulen Impulse geben und die Lehramts- und Museumsstudiengänge noch stärker an das gemeinsam entwickelte Schulmuseum binden.
Gehen Schulkinder denn gern ins Schulmuseum? Wofür interessieren bzw. begeistern die sich denn dann am meisten?
GW: Eine super wichtige Frage – ich denke oder vermute, viele von ihnen tun es. Eine ganze Reihe meiner Studierenden, die aus Leipzig stammen, erzählen von ihrem Besuch zu Schulzeiten – der tatsächlich immer gut (!) in Erinnerung geblieben ist. Das ist schon erstaunlich, aber freilich kein Beweis. Als Fakt lässt sich eher eine repräsentative Befragung von Leipziger Kindern und Jugendlichen 2023 anführen: Die Bekanntheit des Schulmuseums erweist sich da als sehr groß. Auf jeden Fall ist es das von Schulklassen am häufigsten besuchte Museum Leipzigs!
Als absoluter „Renner“ erfreut seit langem die historische Unterrichtsstunde zur Kaiserzeit für die Jüngeren. Bei den Älteren bleibt die Unterrichtsstunde Heimatkunde 3. Klasse in der DDR im Gedächtnis – es geht hier um ein Erleben und die Reflektion von Autorität, die alltäglich im Schulalltag eine Rolle spielt und Heranwachsende letztlich formen kann. Last but not least: die Möglichkeit, etwas anzufassen oder auszuprobieren, wird sehr geschätzt.

Ist das Schulmuseum gut für die Zukunft gerüstet? Was ist geplant?
GW: Eine schwierige Frage, denn Zukunftsvisionen gibt es in Menge, die Frage der „Ausrüstung“ und Umsetzung wäre nochmals eine ganz andere. Darum würde ich mich auf die konkreten Visionen beziehen, die sich vielleicht am besten so zusammenfassen lassen: intergenerationell und interkulturell, inklusiv und gesellschaftsrelevant. Das Schulmuseum muss gestärkt und weitergedacht werden – als ein Lernlabor, in dem gesellschaftliche Transformationsprozesse sichtbar gemacht, diskutiert und erprobt werden können, als ein verlässlicher Partner in der Zusammenarbeit mit Schulen und zugleich ein Ort der Begegnung und Teilhabe, der für Familien, Leipziger:innen und Tourist:innen sowie zivilgesellschaftliche Akteur:innen offen ist. Die räumliche Lage ist optimal, die „Location“ noch optimierbar – in Hinsicht Barrierefreiheit, Öffnungszeiten und räumlicher sowie personeller Ausstattung. Wir bleiben dran und optimistisch!


